Zur Geschichte des Tübinger „Schwabenhauses“

Das Schwabenhaus in der Gartenstr.12 grenzt direkt an das Grundstück der traditionsreichen und stadtbekannten Neckarmüllerei. Auf dem Grundstück des heutigen Schwabenhauses eröffnete am 1. Juni 1868 der Zimmermeister Julius Haller eine Badeanstalt. Nach dem Tode von Werkmeister Haller und seiner Frau führten zwei seiner Kinder die Badeanstalt weiter. 1898 verkauften sie diese mit Garten für 44.000 Mark an das Studentencorps „Suevia“ (oder Alte Tübinger Schwaben), das dort ein neues Verbindungshaus zu bauen beabsichtigte. Im Frühjahr 1899 begann man mit dem Neubau und stellten den Rohbau noch im August fertig. 1913 erfolgte eine Aufstockung des Seitenflügels durch Franz Bärtle, nach dessen Plänen schon im Jahr zuvor die Pergola am Neckarufer ausgeführt worden war.

Nachdem das Gebäude 1945 bis 1949 von den Franzosen beschlagnahmt und anschließend vermietet worden war, kaufte es die Stadt Tübingen 1953 vom Corps „Suevia“ für 55.000 D-Mark ab.

Drei Jahre zuvor, 1950, hatte die Stadt bereits das Neckarmüllerei-Anwesen gekauft, um dort die notwendigen baulichen Veränderungen am Gebäude hinsichtlich des damals gültigen Stadtbauplans durchsetzen zu können. Der Bebauungsplan Neckarmüllerei sah eine vollständige Überbauung des gesamten Neckarmüllereigeländes durch einen Hotel- und Geschäftskomplex vor und das, obwohl ein im Güterbuch eingetragenes Servitut die Nichtüberbauung des unteren Garten vorschrieb. Dies wurde durch eine Bürgerinitiative verhindert. Die Bürgerinitiative konnte zwar das Bauprojekt, nicht aber den Abriss der alten Wirtschaft verhindern. Heute befindet sich anstelle der alten Neckarmüllerei eine neuerbaute Gasthausbrauerei.

Der dazugehörige Garten wurde als Bauplatz für die Landeszentralbank bereitgestellt. Schon damals wurde für die Zukunft ein Abbruch des Gebäudes in Zusammenhang mit einer Gesamtbebauung des benachbarten Neckarmüllereigeländes erwogen. Der konkretisierte Bebauungsplan wurde 1968 genehmigt. Gleichzeitig regte sich aber Widerstand seitens der Bürgerinitiative Neckarmüllerei und des Landesdenkmalamts, das im Schwabenhaus ein erhaltenswertes Kulturdenkmal, "einen wichtigen Beitrag des Historismus mit leichten Jugendstileinflüssen“ sah. Nachdem einige Jahre das Max-Planck-Institut im Gebäude untergebracht war, zog Anfang der 60-iger Jahre ein aktiver Jugendclub ins Schwabenhaus ein, dem nach vielen Diskussionen mit der Stadt und einem kleinen Brand dann 1972 gekündigt wurde.

Den juristischen Streitigkeiten um das Schwabenhaus setzte das Urteil des Landesverwaltungsgerichts ein Ende. Die Klage der Stadt Tübingen auf Abbruch des Gebäudes gegen das Land wurde auch in der Revision abgewiesen. Ende 1976 begann die Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes, das am 15. August 1978 offiziell eröffnet und an die Volkshochschule übergeben wurde, die fast 20 Jahre in dem Gebäude ihr Zuhause hatte, ehe zum 1.10.1998 die Hochschule für Kirchenmusik das Gebäude als Mieterin übernahm.

RENOVIERUNG 2015 -2017

Von August 2015 bis Anfang 2017 wurde das Schwabenhaus von der Besitzerin, der Stadt Tübingen, aufwändig renoviert: Dabei wurden teilweise die ursprünglichen Raumzuschnitte wieder hergestellt. So bekam der Saal, Herzstück des Gebäudes, seinen alten Eingang wieder, der bei offener Saaltür eine lange Blickachse von der Gartenstraße durch Eingangshalle und Saal bis zum Neckar erlaubt. Eine ehemalige Balkonloge im 1.Obergeschoss wurde freigelegt, von der man durch ein großes Rundbogenfenster spektakuläre Einblicke in den Saal hat. Das 1. Obergeschoss wurden von Trennmauern befreit und zum Hauptbibliotheksraum mit 4 Arbeitsplätzen umgestaltet, das Untergeschoss durch einen Parkettboden raumakustisch aufgewertet. Im gesamten Haus wurden Elektrik, Saalbelüftung, Heizungen und Sanitäranlagen erneuert und modernen Standards angepasst.

Ein wesentlicher Teil der Arbeiten dienten dem Schallschutz. Zwischen den Geschossen und den Räumen wurden Dämmschichten oder zusätzliche Wandverstärkungen angebracht, um Schallübertragungen zu minimieren. 

Für die Bedarfe der Kirchenmusikhochschule wurde ein modernes Bibliotheksregalsystem sowie ein kleines Tonstudio eingebaut. Im Untergeschoss wurden die drei vorhandenen Orgeln wieder aufgebaut und neu intoniert, die ab 2019 oder 2020 im Saal im EG einen Ergänzung finden werden, wenn dort eine neue Orgel nach norddeutsch-barockem Vorbild eingebaut werden wird.

Die Ev.Landeskirche Württemberg, Trägerin der Hochschule, hat mit der Stadt Tübingen nach der Renovierung einen Mietvertrag mit mind. 10-jähriger Laufzeit abgeschlossen, so dass die Nutzung dieses architektonischen Kleinods am Neckarufer durch die Hochschule für Kirchenmusik langfristig abgesichert ist.


(Quelle:  u.a. "Zwischen Ammer und Neckar - Das Tübinger Stadtbild im Wandel" / Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 07.04.2004 / www.schwabenhaus-jugendclub.de)